Ausgeblubbert

Modegetränk


Noch vor einem Jahr eroberte Bubble Tea die Großstädte. Jetzt will keiner mehr das Getränk kaufen. Haben übereifrige Forscher die Branche ruiniert? Von Maximilian Kalkhof

 


 

Anfangs, als es noch bergauf ging, war alles nicht nötig. Niemand kam auf die Idee zu fragen, woher die Perlen kommen. Jetzt, sagt Lisa Zhu, bekomme sie die Frage oft gestellt. Sie hat sich dagegen gewappnet, mit Hinweistafeln neben der Eingangstür: Zertifikate, Nährwertanalysen. Es sind Erklärungen, die retten sollen, was womöglich nicht mehr zu retten ist.

Zhu, 42 Jahre, zierliche Statur, braune Locken, lange Silberohrringe, sitzt in einer Berliner Filiale von BoboQ. Bis sie Geschäftsführerin der Kette wurde, hat sie kleine Bistros betrieben, mit mäßigem Erfolg. Dann kam ihr die Idee, Bubble-Tea nach Deutschland zu bringen. 2010 war das. BoboQ war einer der ersten Anbieter, der das süße, bunte Getränk in die Fußgängerzonen der Großstädte brachte. Erst nach Berlin, später nach Wien, Madrid oder Warschau. Zhu sagt, dass sie sich noch erinnern kann, was für ein Glücksgefühl das war: All die Deutschen, die plötzlich ihren Tee tranken. Die Umsätze schossen nach oben, die Zeitungen druckten Schlagzeilen wie: "Bubble-Tea überschwemmt die Innenstädte". Es klang nach einer großen Geschichte.

Noch im Sommer 2012, sagt Zhu, habe BoboQ neue Filialen eröffnet. Rund 100 waren es auf dem Höhepunkt allein in Deutschland, das Unternehmen war damit hierzulande Marktführer. Dann, im Herbst, begann der Absturz. Die Käufer blieben aus, viele Filialen mussten schließen, mittlerweile sind es weniger als halb so viele. Auch der Umsatz brach in sich zusammen. "An manchen Tagen verkaufen wir nicht mehr als ein paar Getränke", sagt Zhu. Anderen Anbietern geht es ähnlich. Auch bei Tea One, nach BoboQ die zweitgrößte Bubble-Tea-Kette in Deutschland, sank der Umsatz um bis zu 80 Prozent. Von ursprünglich 30 Filialen des Unternehmens sind fünf geblieben.

Bubble-Tea, so scheint es, war einer der kürzesten Trends in der Geschichte des deutschen Einzelhandels. Wieso endete er so abrupt?

Ein Forscher spricht von "jede Menge Dreck"

Für Geschäftsleute wie Lisa Zhu ist die Antwort eindeutig. Sie datieren den Beginn des Niedergangs auf den 22. August 2012. An diesem Tag berichtet dieRheinische Post erstmals über eine Untersuchung von Wissenschaftlern derRheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH). Die Forscher wollen in den Tapioka-Perlen eines Bubble-Tea-Cafés in Mönchengladbach krebserregende Giftstoffe gefunden haben. Die Zeitung zitiert Manfred Möller, einen der Forscher, mit dem Satz, in den Bubble-Tea-Kugeln stecke "jede Menge Dreck". Zwar schreibt die Rheinische Post auch, dass die Aachener Wissenschaftler keine Angaben über die Konzentration des Schadstoffes machen können. Außerdem sei gar nicht klar, ob eine Gesundheitsgefahr bestehe. Viele Medien aber stürzen sich auf die Nachricht. Die Welt titelt: "Chemiker finden Gift im Bubble-Tea".

Spricht man heute mit Manfred Möller, klingt der Befund längst nicht mehr so eindeutig. Zwar sei die Methode, die damals zum Einsatz kam und mit der Spuren von bromierten Biphenylen gemessen wurden, ohne Fehler, sagt Möller. Er besteht aber darauf, dass man damals keine Aussage über das Gesundheitsrisiko des Tees ableiten wollte. Mit dem Wort "Dreck" habe er lediglich versucht zu umschreiben, "dass eine Kontamination mit mutmaßlich giftigen Inhaltsstoffen vorliegt". Möller selbst sagt, dass die Sache für ihn im Nachhinein einen "schalen Beigeschmack" habe. "Die mediale Welle kam einer Verleumdungskampagne gleich."

Möller und seine Kollegen sagen auch, dass es bei der Untersuchung lediglich um den Test eines neuen Messgerätes des Mönchengladbacher Herstellers Leco Instrumente gegangen sei. Nachdem die Wissenschaftler dabei auf Spuren des Giftstoffes stießen, riefen sowohl die Forscher der RWTH Aachen als auch die Geschäftsführung von Leco Instrumente in der Düsseldorfer Redaktion der Rheinischen Post an, um das Ergebnis öffentlich zu machen. Warum das geschah, ist unklar. Tatsächlich liegt bis heute weder eine Pressemitteilung noch eine wissenschaftliche Publikation der Untersuchungsergebnisse vor.

Im Verbraucherschutzministerium Nordrhein-Westfalens wundert man sich noch heute über die Forschheit der Aachener Wissenschaftler. Von den Ergebnissen habe man damals aus der Presse erfahren. Auch die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, die zwischenzeitlich Ermittlungen aufgenommen hatte, diese aber wieder eingestellt hat, war durch die Zeitungslektüre auf den Fall aufmerksam geworden. Bis heute habe die RWTH nicht die genaue Menge der gemessenen Stoffe veröffentlicht, heißt es im Ministerium.

 

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